Tom Tornado und Jan Dirk Wüller sind seit den siebziger Jahren Freunde – und mischen das Leben in Recklinghausen mit irren Ideen auf. Bis heute.
Was haben die beiden schon alles ausgeheckt! Das einzige deutsche „Festival of Fools“ 1979 in Recklinghausen organisiert: Fünf Tage an fünf Standorten mit 25.000 Besuchern (mit Joseph Beuys und der Clown-Legende Jango Edwards). Die erste Grüne Wählergemeinschaft bundesweit gegründet (mit Freaks und konservativen Freigeistern auf einer Bürgerliste). Die Plattdeutsche Bühne zusammen mit dem Philosophen Heiner Mühlmann unterwandert. Dem genialen New Yorker Komponisten „Moondog“ von Recklinghausen aus zu spätem Weltruhm verholfen. Die Altschmiede auf Touren gebracht. So wie später den „Club der lebenden Dichter“, das „Vesti-Wall“ oder die „Creative Outlaws“. Und immer wieder: Empfänge, Partys, Konzerte mit Gästen organisiert, die sonst wohl nie den Weg nach Recklinghausen gefunden hätten. Die Rollen in dem kongenialen Duo sind klar verteilt: Tornado als Impresario der Freak-Szene mit Kontakten zu Künstlern in der ganzen Welt, Wüller als Mäzen mit Standing in der Stadt. So lässt sich was bewegen! Erlaubt sei die Frage: Wie haben die beiden sich nur kennengelernt? Es war 1974, in einer Gasse des Gerberviertels. Wüller, damals Mitte Dreißig und distinguierter Sproß einer der ältesten Recklinghäuser Kaufmanns-Familien, dreht abends noch eine Runde durch die Altstadt. Aus einem Fachwerkhäuschen kommt Musik. Wüller schellt an, will wissen, was da los ist. Aber Tom „Tornado“ Klatt, damals Mitte Zwanzig und einer der Heads der lokalen Hippie-Familie, ist vorsichtig und lässt den Fremden draußen stehen. „Wir haben zu oft Ärger gehabt“, erinnert sich Tornado. Aber Jan Dirk Wüller lässt nicht locker und schellt zu später Stunde erneut an, jetzt mit sechs Flaschen Bocksbeutel als Gastgeschenk. Diesmal klappt die Annäherung. Es wird gequatscht, geraucht, getrunken. Schließlich besteht Wüller darauf, dem neuen Freund vorzuführen, worauf er besonders stolz ist: seine Sammlung selbstspielender Instrumente. Darunter ein dampfbetriebenes Lochkarten-Orchestrion mit Piano, Mandoline, Trommeln und Triangel, das Wüller (zur Freude der Nachbarn) in der Nacht anwirft. „Es klang, als wenn Motörhead spielt“, erinnert sich Tom. Und es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Tornado war fortan Stammgast bei Wüllers eleganten Empfängen mit handverlesenen Gästen von Verlegerin Annemie Bauer bis Graf Nesselrode. „Ich war da der einzige Freak“, erinnert sich Tom. Mal heuerte er für Wüllers Gartenparty den jungen Götz Alsmann an, mal einen Schüler des elsässischen Sternkochs Paul Haeberlin. In den neunziger Jahren ließ sich das ungleiche Duo bei Jörg Pilawas „Quizduell“ casten, ein Jahr später sang Tornado bei Dieter Bohlen für das „Supertalent“ vor (der Schlager-Mogul war übrigens „not amused“).
Traum vom eigenen Club wird wahr
2007 starteten sie mit Freunden die „Creative Outlaws“: Zunächst mit exklusiven Konzerten, die abwechselnd in Tornados Wohnzimmer zwischen Zehntausenden Platten oder in Wüllers Salon zwischen den beiden Flügeln von Steinway und Bechstein-Welte stattfanden. Im vergangenen Jahr wurde ein Traum war: Die Creative Outlaws eröffneten den eigenen Club unter dem „Moondock“ – von privat für privat, alle Einnahmen gehen zu 100 Prozent an die Künstler. Dann kam die Krise – aber Aufhören ist keine Option. Schon gar nicht wegen Corona. Für den Creative Outlaws Club hat Tom Tornado im Sommer ein Programm auf die Beine gestellt, das seinesgleichen sucht: „Wir sind im Moment der einzige Club in Europa, der bis Weihnachten jeden Samstag ein Konzert bietet“, sagt der 69-Jährige. Wenn‘s passt, ist auch sein Freund Jan Dirk Wüller live dabei. Immer mit Krawatte, weißer Hose und Einstecktuch, versteht sich.
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