Wie können stillgelegte Bergwerke im Ruhrgebiet nachhaltig genutzt werden und wie funktioniert das Ganze im chinesischen Kontext? Mit diesen Fragen befasst sich die Innovatorin und Wissenschaftlerin Julia Haske.
Wer sich für die Revitalisierung von ehemaligen Bergbaugebieten interessiert, der kommt um Julia Haske nicht herum. Die Nachwuchswissenschaftlerin beschäftigt sich seit Jahren mit der Transition von Bergbauflächen und kann dabei ein Profil vorweisen, das seinesgleichen sucht. In ihrer Forschung vereint sie umfangreiches technisches Wissen mit ihrer China-Expertise.
„China ist das größte Bergwerkland der Welt, doch die Nachnutzung von Flächen ist dort noch kein großes Thema“, so die 28-Jährige.
„Aufgeben war keine Option.“
Die Affinität für Ostasien hatte Haske schon immer. Sie studierte zunächst Sinologie, wechselte dann zu Ostasienwissenschaften mit einem Schwerpunkt auf China. „Ich habe während des Studiums schnell gemerkt, dass mich vor allem wirtschaftliche und politische Kontexte interessieren“, so die Forscherin, die mittlerweile fließend Mandarin spricht. Dazu kam viel ingenieurwissenschaftliches Fachwissen, das sich Haske mühsam aneignete.
„In der Schule wurde mir oft suggeriert, dass technisches Wissen nichts für mich ist“, erinnert sie sich zurück. Doch davon ließ sie sich nicht unterkriegen. Mit einem klaren Ziel vor Augen absolvierte sie ihren Master und ihre Promotion in nur der Hälfte der vorgesehenen Zeit – und das, obwohl sie gleichzeitig Vollzeit arbeitete. Unterstützt wird sie dabei von dem Netzwerk und BMBF-geförderten Projekt der westfälischen Hochschule „WE! Westfälische Erfinderinnen“, welches sich dafür einsetzt, innovative Frauen im Ruhrgebiet und Münsterland zu fördern und ihre Sichtbarkeit in verschiedenen Bereichen zu erhöhen. Dabei schafft das Netzwerk ein neues Verständnis von Innovation und ergänzt den Erfindungsbegriff um eine soziale und wirtschaftliche Komponente.
„Es ist beeindruckend, wie viele verschiedene Expertisen in diesem Netzwerk zu finden sind. Oft sind Netzwerke auf einzelne Branchen und Sektoren begrenzt, dadurch geht aber auch viel Innovationspotenzial verloren“, sagt Haske nachdrücklich.
Potenzial der Bergwerke
Als Innovatorin hat Haske einen Leitfaden für den Transfer von Nachnutzungspotenzialen in ehemaligen chinesischen Bergwerkregionen entwickelt. Neben der Errichtung von Wohnquartieren wäre auch die Ansiedlung von Startups, Dienstleistungs- oder Gewerbegebieten ein Ansatz, der innovationsfördernd wirken könnte. „Was sich wo lohnt ist immer eine individuelle Frage, denn man muss die einzelnen Gebiete immer genau auf ihre Vorbelastung untersuchen“, so die Forscherin. Auch die Nutzung für erneuerbare Energien ist eine Möglichkeit, die im Kontext der Energiewende viel Potenzial mit sich bringt.
„Im Ruhrgebiet sind viele Flächen zu Naherholungsgebieten und Kulturdenkmälern umgewandelt worden, das ist natürlich auch eine Option“, erzählt Haske. Beispiele dafür sind die Halde Hoheward, die Haske in ihrer Freizeit auch selbst gerne besucht, aber auch die Zeche Recklinghausen II, die unter anderem ein Museum zu bieten hat. Andere, wie die Zeche Ewald, dienen als Kunst- und Kulturzentren, wo regelmäßig Open-Air-Veranstaltungen stattfinden. „Diese Form von Umnutzung ist zwar nicht die wirtschaftlich profitabelste, aber sie hat einen gesellschaftlichen Mehrwert und trägt zur Bewahrung der kulturellen Identität der Stadt bei“, betont Haske. Wichtig sei ein gutes Gleichgewicht zwischen dem Blick nach vorne und dem Blick in die Vergangenheit.
Chinareise steht bevor
Pläne für die Zukunft schmiedet Haske bereits. Im Sommer hat sie ihren ersten Lehrauftrag, danach möchte sie eine Habilitation vorbereiten. Außerdem soll es in diesem Jahr zum ersten Mal nach China gehen: „Aufgrund der Coronapandemie hat es bisher noch nicht mit einer Reise geklappt, aber das hole ich nun endlich nach“.