Zum Inhalt springen
Klarer Schnaps, klare Kante
Fotos: Stepniak

Klarer Schnaps, klare Kante

Lesedauer: ca. 3 Min. | Text: Karoline Jankowski

In Suderwich trifft Tradition auf Eigeninitiative – und das mit ordentlich Geschmack. Ob Schnapsbrennerin, Kneipenwirt oder Floristin mit Rebellionsgeist: Wer hier was bewegt, tut das mit Herz, Haltung und Humor. Ein Streifzug durch ein Dorf, das mehr draufhat, als man auf den ersten Blick vermutet.

Hochprozentige Heimatgeschichte

Wer Suderwich verstehen will, trinkt am besten einen Schnaps mit Marielis Schulte-Holthausen. Deutschlands erste – und älteste – Brennermeisterin weiß, wie der Ort tickt. Seit 1742 brennt ihre Familie, seit 1972 trägt Marielis den Meistertitel. Als Frau in einer Männerdomäne? Für sie nie ein Thema – obwohl es eins war. Marielis hat Geschichte geschrieben, ohne großes Tamtam. Früher wurde in Suderwich getrunken, gesungen, gefeiert. „Ein echtes Partydorf“, sagt sie – und verdreht die Augen über heutige Schallschutzwände und lärmempfindliche Nachbarn. Heimatverbunden bleibt sie trotzdem. Ihr Enkel plant eine kleine Schaubrennerei, um die Familientradition sichtbar zu machen. Und Marielis freut sich über neue Impulse im Ort: „Blüh auf!“ etwa sei ein gutes Beispiel dafür, wie modern und lokal zu- sammengehen können. Suderwich, findet sie, muss mit der Zeit gehen – aber bitte mit Stil. Und vielleicht einem kleinen Schwips.

Traditionspflege mit Schaumkrone

Maik Pinter zeigt, wie visionär Suderwich sein kann. Gemeinsam mit seiner Frau Ines betreibt er gleich zwei gastronomische Institutionen im Ort: die Alte Wassermühle und das Haus Breuckmann – keine durchgestylten Foodtempel, sondern ehrliche Treffpunkte mit Geschichte und Herz. Früher Telekommunikation, heute Tresen: Maik hat nach der Pandemie die Branche gewechselt – weil der direkte Draht zum Menschen für ihn mehr zählt als jedes Netz. Statt Chichi gibt’s Leberkäsbrötchen, statt Konzeptgastronomie ehrliche Kneipenkultur. Sein „Bier des Monats“ sorgt für Abwechslung, aber sein Grundsatz bleibt: „Kneipe ist Bier, nicht Wein. Punkt.“ Suderwich erlebt er als Ort mit echter Gemeinschaft. Unternehmer kennen sich, packen gemeinsam an – ob beim Vereinsleben oder bei Dorf-Festen. Sein Wunsch: weniger Auflagen, mehr Musik.

Dorfleben mit Geschmack

Seit zehn Jahren führen Britta und Enrico die „Alte Dorfbrennerei“ – ein Gasthaus mit Geschichte und handgeschlagenen Schnitzeln. Oben wohnen, unten wirbeln: Aus der einstigen Frikadellen-Kneipe wurde mit viel Herzblut ein ehrliches Restaurant, das auf Tiefkühlkost pfeift und lieber selbst anpackt. Möglich wurde das durch die Verpächterin Marilies Schulte-Holthausen, Suderwicher Urgestein und älteste Brenn-meisterin Deutschlands. „Wir hatten kein Geld, aber wir haben gearbeitet – und sie hat an uns geglaubt“, sagt Enrico. Für die beiden ist Suderwich ein lebendiges Netzwerk. Die Eier kommen vom Hof, die Flyer vom Nachbarn, der Blumenstrauß von nebenan. „Das meiste bleibt im Dorf.“ Was ihnen fehlt? Mehr Raum für Geselligkeit. „Die Leute sagen, es ist nichts los – und wenn was los ist, ist’s zu laut“, so Britta. Strenge Auflagen und Beschwerden machen spontane Feste und Live- Musik schwierig. Und die gute alte Kneipenkultur? Frühschoppen, Knobeln, ein kühles Bierchen? Wird vermisst.

Floristik, Feierlaune & Rebellion

Tina Attenberges Floristik-Laden „Blüh auf!“ ist wie ein kleines Festival auf 60 Quadratmetern.

03.06.2025 Recklinghausen Tina Attenberger , Blüh auf! Laden in Suderwich foto: copyright marco stepniak - mobil +49 171 2771906 , marco@stepniak-bild.de
 

Ihr Stil: wenig Schleierkraut, viel Party. Ihre Kundschaft? Treu wie ein Gummibaum und bis zu 100 Kilometer anreisebereit. Tina hat ihr Geschäft nach der Schließung der elterlichen Rosengärtnerei eröffnet – und damit gezeigt: Heimat kann neu gedacht werden. Und weil in Suderwich manchmal zu wenig passiert, sorgt Tina selbst für Programm: „Rocken am Kreis- verkehr“ war ursprünglich nur ein Scherz. Der neue Kreisverkehr wurde eröffnet – und in kleinen Dörfern feiert man bekanntlich alles. Also: Bühne her, Bier kalt, Musik an. Aus der Witz-Idee wurde ein echtes Event, das mittlerweile ein fester Termin ist. Tina tickt anders, und genau das macht sie so wichtig für Suderwich. Ihr Motto: Nicht alles immer gleich lassen, sondern ruhig mal verrückt sein. Tina Attenberges Floristik-Laden „Blüh auf!“ ist wie ein kleines Festival auf 60 Quadratmetern. Ihr Stil: wenig Schleierkraut, viel Party. Ihre Kundschaft? Treu wie ein Gummibaum und bis zu 100 Kilometer anreisebereit. Tina hat ihr Geschäft nach der Schließung der elterlichen Rosengärtnerei eröffnet – und damit gezeigt: Heimat kann neu gedacht werden. Und weil in Suderwich manchmal zu wenig passiert, sorgt Tina selbst für Programm: „Rocken am Kreisverkehr“ war ursprünglich nur ein Scherz.

 

Artikel teilen:

Mehr aus Ihrem Vest: