100 Jahre Weinhandlung Molitor. Was einst mit einem geschenkten Fässchen Wein begann, entwickelte sich über Generationen hinweg zu einer festen Institution in Recklinghausen.
Wein im Herzen, Bier in der Geschichte und Kunst eigentlich überall – ein paradoxer Dreiklang für eine Weinhandlung. Denkste. Dorothee und Tochter Ingeborg Molitor – frühere und heutige Inhaberin – nehmen uns mit auf eine Zeitreise durch die Familienchronik, die weit mehr erzählt als nur von edlen Tropfen
Die Geburtsstunde
1925 bekam Wilhelm Molitor von seinem Onkel, einem Winzer aus Kröv an der Mosel, ein Fässchen Wein geschenkt. Die Anweisung: Entweder sich selbst mit Wein oder den Wein in Flaschen abzufüllen.
Wilhelm entschied sich für Letzteres und errichtete im Keller seines Elternhauses die Großhandlung und Weinkellerei Wilhelm Molitor und wurde damit Gründervater.
Kein Bier nach vier
1935 kitzelte der Molitor-Wein erstmals die Gaumen der hiesigen Bergleute. Wegen einer vom NS-Regime verordneten Patenschaft zwischen dem Moselort Senheim und dem Vest füllte Molitor während der „Paten-Woche“ 48 Fudern ab – rund 60.000 Flaschen. Gaststätten wurden verpflichtet, den Wein auszuschenken.
Unter Verschluss
Die Eisentür im Keller stammt von einem alten Tresor der damaligen Stadt-Sparkasse. Wilhelm Molitor hatte sie nach dem Krieg bei einem Ausmisten der Sparkasse entdeckt und kurzerhand genutzt, um seinen Keller zu verschließen.
Kriegsgefangener wird Kellermeister
Während des Zweiten Weltkriegs wurden im Maristenkloster nahe der Kellerei französische Kriegsgefangene untergebracht. Einige von ihnen arbeiteten tagsüber bei Molitor.
Einer von ihnen, „Iwan“, ein Franzose aus Bordeaux, blühte in diesem Metier auf und übernahm im Laufe der Zeit die Rolle des Kellermeisters.
Wein auf Bier, gönn dir
Als Wihelm Molitors Sohnemann Hans-Joachim mit seiner Frau Dorothee 1971 erstmals auf dem Weinmarkt in Recklinghausen ausschenken wollten, stellte ihnen der Direktor der Schlegel-Brauerei einen Bierstand zur Verfügung.
„Ihr gehört hier hin!“ Eine Vorhersage, die sich schnell bewahrheitete.
Neue Ära
„Mein erstes Jahr im Weinberuf verbrachte ich in einem Fachwerkhäuschen, das mehr Charme als Komfort bot – feucht und im Winter eiskalt. 1975 richtete mein Vater an der Löhrhofstraße eine provisorische Filiale ein – die dann doch neun Jahre blieb. Regelmäßig im Mai kehrten Schauspieler ein, und ich vertiefte mich in Weinbücher.“ – Ingeborg Molitor, Inhaberin.
Weinprobe über den Wolken
Anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt Recklinghausen im Jahr 1986 organisierte Dorothee Molitor eine Weinprobe über den Wolken in einer Boeing 737. Sogar die deutsche Weinkönigin war mit an Bord.
Alles ist Kunst
„Kehre dein Innerstes nach außen“ – diesen Spruch nahm Ingeborg Molitor wörtlich und schrieb einen Künstlerwettbewerb aus, um die Fassade des Weinhauses zu verschönern. Gewonnen hat Marion Schmidt-Werthern, die die Wände mit einer formidablen Weinflaschen-Bordüre verzierte, die man heute bestaunen kann.
Hertener Straße 45657 59
45657 Recklinghausen